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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Rede zum Haushalt 2013
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
liebe Bürgerinnen und Bürger
Die heutige Sitzung ist wieder einmal der Anlass, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und
einen Ausblick auf das kommende Jahr zu werfen.
Während im letzten Jahr meine Haushaltsrede überwiegend positive Aspekte beinhaltete, ist
inzwischen vieles passiert und in einigen Bereichen eine Entwicklung eingetreten, die immer
bedenklicher wird und uns Grüne alles andere als zufrieden stimmt.
Die Presseberichterstattung vom Dienstag dieser Woche spricht die Hauptproblematik ganz
unmissverständlich an.
Wenn so weitergewirtschaftet wird wie bisher, stehen wir ab dem Haushaltsjahr 2015 mit einer
effektiven Verschuldung von ca. 3 Mio. da.
In einer Legislaturperiode haben wir - sage und schreibe - ca. 43 Mio. Rücklagen aufgezehrt.
Da stellt sich berechtigter Weise schon die Frage:
Wo sind diese Gelder hingeflossen?
Zugleich muss die Frage beantwortet werden, was haben wir dafür bekommen?
Welche langfristigen, zukunftsweisenden, rentierlichen Entwicklungen wurden damit
eingeleitet?
Weiterhin ist festzustellen, dass im nächsten Jahr der Verwaltungshaushalt über 1,4 Mio. aus den
Rücklagen frisst. Die weiteren Jahre lassen die gleiche Tendenz erkennen.
Es lässt sich nicht verleugnen, dass dies eine Besorgnis erregende Entwicklung ist.
Wie aus der Presse zu entnehmen war, sehen Sie, Herr Bürgermeister, mit den Worten
„[…]wir stehen immer noch sehr gut da[…]“, diese Situation recht gelassen.
Wir glauben jedoch, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis das „böse Erwachen“ kommt.
Die soeben vom Kämmerer gezeigten Entwicklungskurven zum Haushalt zeigen dies mehr als
deutlich.
Ich kann daher den Kollegen Blenk bei einer Vielzahl seiner Bewertungen nur zustimmen.
Nach 3 Haushaltsreden möchte ich mich jetzt allerdings in meiner Rede nicht mehr mit der
Interpretation von Zahlen beschäftigen, sondern auf einige für uns Grüne wichtige Entwicklungen
und ihrem Niederschlag im Haushalt konzentrieren.
Zur Jugend und Jugendarbeit
Für uns hat ein Stadtjugendpfleger seit Jahren höchste Priorität.
Wir sehen - im Gegensatz zu den meisten Kollegen hier im Rat - dringenden Bedarf im Bereich der
offenen Jugendarbeit.
Wir glauben, viele in diesem Gremium hier - und dies haben mir soeben ihre Worte, liebe Frau
Kollegin Riedmann, wieder einmal bestätigt - wissen überhaupt nicht was städt. Jugendarbeit
bedeutet und welchen Stellenwert diese haben muss.
Ich kann nur feststellen, man ist von der Jugend und ihren Bedürfnissen in diesem Gremium
inzwischen viel zu weit weg.
Der Vorschlag, Jugendliche mit einem Bus in die nächste Disco zu „karren“, sagt doch alles aus.
Gegen die Besetzung dieser Stelle wird stets mit steigenden Investitionen und Ausgaben im
Kindergartenbereich argumentiert. Jedoch: Kinder sind keine Jugendlichen!
Wir sehen jedenfalls mehr als genügend Tätigkeitsfelder für einen Stadtjugendpfleger, die dringend
angepackt gehören. Ich möchte jetzt nicht schon wieder ganzen Katalog von Aufgaben wiederholen.
Ich stelle nur fest, was wir brauchen, ist eine zusätzliche kompetente Person für die offene
Jugendarbeit, denn Probleme haben wir genügend.
Wir sollten wissen:
Unser JuZe kann diese offene Jugendarbeit nicht leisten,
unser JuZe hat eine ganz andere Aufgabenstellung,
das JuZe ist von der Konzeption her eine Einrichtung der geschlossenen Jugendarbeit.
Gleichzeitig war es nie unsere Absicht mit der Forderung nach dieser Stelle, dem JuZe Stellen weg zu
nehmen, wie uns das nach den Diskussionen der Haushaltsberatungen unterstellt wurde.
Immer wieder, nach der von uns gestellten Forderung zur der Einstellung eines Stadtjugendpflegers,
sehen wir uns stets sofort dem Argument ausgesetzt, die Personalkosten würden doch permanent
steigen und wir müssen irgendwo sparen.
Das stimmt! In diesem Haushalt sind aber trotzdem weitere Stellenmehrungen vorgesehen.
Es finden sich Stellen für einen Hausmeister, einen Installateur, zusätzliche Halbtagsstellen werden
bei der VHS und im Tourismusbüro angesiedelt.
Für einen Stadtjugendpfleger kann da natürlich nichts mehr übrig bleiben.
Für uns stellt sich einfach die Frage, ob man im Sommer jedes „Gänseblümchen“ für Ausgaben
von 1 Mio. € gießen muss, oder ob man mit dem Geld auch noch etwas für seine Jugend tut.
Dass Sie mich bitte nicht falsch verstehen, mit dieser Aussage möchte ich in keinerlei Weise die
Arbeit des Bauhofes herabsetzen. Nur, wir sehen hier Einsparpotenziale.
Ebenso kann man die Frage stellen, ob man lieber jeden Morgen Müll an der Mainlände entsorgt und
Spielgeräte wieder instandsetzt oder das Geld vielleicht in einen Jugendpfleger investiert.
Die Schaffung einer solchen Stelle ist eine Frage der Prioritätensetzung.
Einsparpotenzial ließe sich im Gegenzug mit guten Willen finden.
Nur, die Jugend hat im Moment leider sehr schlechte Karten in dieser Stadt.
Wir sind eine familienfreundliche Stadt
Begründet wird dies mit ständig steigenden Investitionen und Ausgaben für Kindergärten,
Kindertagesstätten, Nachmittagsbetreuung, Spielplätze und vieles mehr.
Alles gut und recht - hier passiert schon einiges im Bereich Kinder.
Was zugleich geschehen ist, ist, dass es zu einer Steigerung der Kindergartengebühren kam.
Und diese wurde von der Mehrheit im Rat beschlossen.
Ich erinnere daran, dass einst im Wahlkampf sogar einmal von einer Befreiung der Gebühren für das
dritte Kindergartenjahr die Rede war.
Wir jedenfalls von der Fraktion der B90/Die Grünen halten diese Erhöhung für das falsche Signal.
So sieht eine Förderung junger Familien nicht aus!
Wer nicht gerade Besserverdiener ist, hat mit dem Großziehen von Kindern mehr als genügend
finanzielle Belastungen.
Und wieder sind wir bei der Frage angekommen, wo setze ich meine Prioritäten.
Wenn wir den Verwaltungshaushalt nicht weiter aufblähen lassen wollen, ziehen steigende Kosten
für die Kindergärten in anderen Bereichen Einsparungen nach sich.
Es stellt sich die Frage, ob man weiterhin nachts so viele Straßenlichter brennen lassen muss, anstatt
diese Gelder einzusparen oder anderweitig für Kinder zu verwenden.
Zu dem ist es fragwürdig, ob ein städtisches Mitteilungsblatt, eine sogenannte „Hofpostille“, für
17.000,-- € notwendig ist. Hier ist auch Einsparpotenzial vorhanden!
Junge Familien müssten uns dies wert sein!
Zwei Sätze zum Skaterplatz
Dazu haben wir soeben eine „Sternstunde“ erlebt.
Vor 10 Jahren wurden 250.000,-- € investiert und jetzt plötzlich eine Verlagerung, die uns heute weit
mehr als 300.000,-- € kostet, - einfach nur noch unsäglich!
Wo ist hier noch ein Wille zum Sparen erkennbar?
Bei der Jugend ist der berechtigte Eindruck entstanden:
Stadthalle kontra Jugend!
Wir können nur noch entsetzt den Kopf schütteln.
Zum Thema Verkehr in Lohr
Als erstes zur Neukonzipierung der Stadtbuslinien.
Hier sind lobend die Stadtwerke zu erwähnen. Dies ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie ein
Entwicklungsprozess laufen muss. Es wurde umfassend zur Problematik informiert, ausgiebig und
gründlich über Varianten diskutiert. Man hat den gesamten Stadtrat bei allen Entscheidungen von
Anfang an eingebunden und hatte am Ende ein Ergebnis, - wie man es sich wünscht – einen
einstimmigen Beschluss.
Ein Beispiel für gutes Prozessmanagement.
ISEK-Verkehrskonzept
Ganz anders sieht es damit aus.
Wir haben den Eindruck, ISEK verkommt immer mehr zu einer Hülle.
Aus euphorisch verabschiedeten Beschlüssen verbleiben nur noch losgelöste Einzelbausteine.
An einzelnen Stellen wird gekleckert (siehe Verkehrsregelung – Bereich Grundschule!) und ohne ein
Gesamtkonzept im Hintergrund zu haben werden Regelungen angegangen.
Der Wille zur zügigen Umsetzung eines Gesamtkonzepts ist nicht mehr erkennbar.
Wo stehen die Gelder hierfür im Haushalt?
Wahrscheinlich hat man inzwischen wieder kalte Füße bekommen.
Zum Kreisel an der Alten Mainbrücke
Voreilige Einzelentscheidungen des Bürgermeister und seines Bauamtsleiters zum Bau dieses
Kreisverkehrs mussten im Nachhinein durch Stadtratsbeschlüsse legitimiert werden.
Erst nach einem umfassenden Verkehrskonzept lässt sich die Notwendigkeit eines Kreisels dort
überhaupt beurteilen.
Ohne System hat man dort vorschnell 25.000,-- € verschüttet.
So darf mit öffentlichem Geld nicht umgegangen werden.
Ein Negativbeispiel par Excellence wie Verkehrsplanung nicht laufen darf.
Der Valentinusberg
Auch dies ist ein Negativbeispiel für eine völlig aus dem Ruder gelaufene Vorgehensweise.
Ein Paradebeispiel für verfehlte Bürgernähe.
Bürger anhören, ihre Anliegen ernst nehmen, bei Entscheidungen ihre Bedenken berücksichtigen
und diese mit ins Boot nehmen – das wäre es gewesen.
Was bleibt, ist ein vollkommen überzogener Ausbau und immense Kosten für die paar Anwohner.
Bereits jetzt ist schon erkennbar, dass diese im Bereich von über 400.000,-- € liegen werden.
Zum Thema Energien
Der Umgang mit energetischen Fragen war für uns immer ein wichtiges und zukunftsweisendes
Thema. Es darf nicht verkannt werden, dass sich in diesem Bereich bereits so manches getan hat,
z.B. insbesondere was die energetische Ausrichtung neuer Gebäude in Lohr anbelangt.
Beispiele dafür sind das Verwaltungsgebäude der Stadtwerke,
das Nägelseeschulzentrum und auch unsere neue Stadthalle.
Dies alles sind energetische Pilotprojekte auf ihre jeweils eigene Art.
Womit wir aber überhaupt nicht zufrieden sind:
Es fehlen Konzepte für die weitere Entwicklung von Nahwärmenetzen auf regenerativer Basis.
Die nördliche Altstadt könnte hier einbezogen werden, eine energetische Versorgung des
Kirchplatzes wäre sinnvoll und es könnte mit diesen Investitionen in derZukunft viel Geld eingespart
werden.
Was ist denn aus unserem Antrag zur Energiewende und der Umsetzung im nächsten Haushalt
geworden?
Bisher ist man nicht weit vorangekommen und im nächsten Haushalt sind kaum Maßnahmen
eingestellt.
Wir sind unzufrieden über die verschleppte Vorgehensweise zur Errichtung einer Photovoltaikanlage
auf der Alten Mülldeponie. Der Kreis hat gehandelt und hat es uns in Karlstadt vorgemacht.
Dies sind Projekte, die in Zukunft Gewinn bringen werden und nicht nur Betriebskosten verursachen.
Wir müssen aber immer wieder feststellen, der Wille Lohr ein Stück energieautark zu machen, ist in
unserem Rate nicht stark ausgeprägt. Es fehlt einfach der Mut einmal auch neue Wege zu gehen.
Thema Stadthalle
Unsere Ansage war stets 15 Mio. für eine Stadthalle und nicht mehr.
Und dazu stehen wir auch noch heute Abend.
15 Mio. € für das Gesamtpaket, dies wäre für uns eine noch schmerzlich vertretbare Obergrenze
gewesen.
Einen Tiefgaragenanbau für weitere; sage und schreibe, 800.000,-- € ,
- eine Skaterplatzverlegung für 300.000,-- €, lehnen wir strikt ab.
Das sind für uns keine Peanuts mehr, das ist Größenwahn!
Dort ist ein Wille zu sparsamen Umgang mit Steuergeldern für uns nicht mehr erkennbar.
Ein Haushalt, der solche Positionen beinhaltet, ist für uns nicht mehr zustimmungsfähig.
Die uns bekannte Erfahrung nach abgeschlossenen Bauprojekten zeigt doch,
dass es nach der Bauausführung fast immer teurer wurde, als wir es geplant hatten.
Und was machen wir? Wir satteln bereits im Vorfeld immer mehr darauf.
Dieser Stadthallenbau wird immer gigantischer und kompromisslos werden Beschlüsse mit
Mehrheiten durchgepeitscht. Er bindet alle Mittel für künftige Entwicklungen in anderen Bereichen.
Mit den auf uns zukommenden Unterhaltskosten für diese Stadthalle wird die Handlungsfähigkeit im
Verwaltungshaushalt noch mehr eingeschränkt.
Für uns ist damit uns die Schallgrenze der Verantwortbarkeit überschritten.
Sehr geehrter Herr Bgm.,
verehrte Kolleginnen und Kollegen
Was wir im Moment vermissen und sich in diesem Haushalt hätte spiegeln sollen, wären Visionen für
die Zukunft - Signale für einen Aufbruch gewesen.
Die Realität ist jedoch, in dieser Stadt wird nur noch verwaltet, ohne die Kraft Prioritäten zu setzen
und ohne den mutigen Blick nach vorn, der zum Beschreiten neuer Wege notwendig ist.
Wichtige Entscheidungen, Umschichtungen und auch Einsparungen werden im Haushalt 2013 nicht
angegangen.
Sollte dieser Haushalt eine mehrheitliche Zustimmung erhalten,
bleibt für uns nur noch das Prinzip Hoffnung, nämlich, dass die vorsichtig angeschätzten
Steuereinnahmen, wieder einmal, wie es so oft in der Vergangenheit war, höher ausfallen werden
und der Weg in die Verschuldung nicht so schnell von statten geht.
Wie meine Ausführungen zeigen, ist unsere Fraktion mit vielen Entscheidungen des abgelaufenen
Jahres sehr unzufrieden.
Die sich daraus ergebenden Entwicklungen können wir nicht gut heißen, und die Folge davon,
dass sich diese als Ausgabeposten im nächsten Jahreshaushalt finden, ist alles andere als in unserem
Sinne.
Deswegen wird unsere Fraktion geschlossen den neuen Haushalt ablehnen.
Herr Kämmerer, ich bedanke mich bei Ihnen und ihren Mitarbeitern,
im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
für die mühevolle Arbeit der Erstellung des Haushaltes 2013.
Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
gez.
Wolfgang Weis
Fraktionsvorsitzender
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